Strafzölle sind auch (k)eine Lösung
Die EU-Kommission hat seit Anfang Juli vorläufige Strafzölle auf den Import von E-Autos aus chinesischer Produktion verhängt. Je nach Hersteller liegt die Höhe der Einfuhrzölle zwischen 17,4 und 37,6 Prozent, zusätzlich zu dem bereits geltenden Einfuhrzoll in Höhe von 10 Prozent. Eine endgültige Entscheidung soll nun bis November getroffen werden, um bis dahin noch intensive Gespräche mit Peking führen zu können. Damit folgt die EU dem Beispiel der USA, die Anfang Mai ebenfalls eine deutliche Erhöhung der Zölle auf eine Vielzahl von Produkten aus China angekündigt hatten. Neben Halbleitern, Mineralien und Medizinprodukten sind es wieder mal vor allem chinesische Elektroautos, denen das Weiße Haus besonders hohe Sonderzölle auferlegte. Der Zollsatz auf chinesische E-Autos in den USA stieg von 25 auf 100 Prozent und betrifft Importwaren im Gesamtwert von über 18 Milliarden US-Dollar. Was wollen die EU bzw. die USA mit ihren neuen Zöllen nun bezwecken?
Schädigung der eigenen Industrie
Sowohl die EU als auch die USA begründen ihren starken Eingriff in den freien Handel mit dem Vorwurf der Marktverzerrung. Die Regierung in Peking soll den ansässigen Automobilherstellern entlang der gesamten Lieferkette hohe Subventionen gewähren, um damit die Wettbewerbsfähigkeit in den ausländischen Märkten zu erhöhen und sich langfristig Marktanteile zu sichern. „Es ist kein Wettbewerb. Es ist Betrug.“, nannte US-Präsident Biden das Vorgehen Chinas Anfang des Jahres.
Subventionen nehmen deutlich zu
Insbesondere bei den grünen Technologiebranchen, bspw. E-Autos, Windturbinen oder Solarenergie fallen die staatlichen Subventionen besonders hoch aus. Nach einer konservativen Schätzung aus dem Jahr 2019 beliefen sich die Industriesubventionen auf rund 220 Mrd. EUR. Diese Zahl dürfte in dem vergangenen Jahren nochmal deutlich gestiegen sein. Dabei profitieren chinesische Unternehmen zusätzlich noch von weiteren Unterstützungsmaßnahmen in Form von subventionierten Vorleistungen, einen bevorzugten Zugang zu kritischen Rohstoffen, einem teilweise erzwungenen Technologietransfer sowie der Vorzugsbehandlung chinesischer Unternehmen in öffentlichen Vergabe- und Verwaltungsverfahren.
China reagiert mit Unverständnis
China hingegen äußerte deutliches Missfallen über die verhängten Strafzölle und legte Beschwerde bei der Welthandelsorganisation ein mit dem Hinweis auf die Einhaltung der internationalen Handelsregeln. Laut dem chinesischen Handelsministerium basieren die Zölle auf protektionistischen Maßnahmen, die darauf abzielen, chinesische Exporte zu behindern. Dabei verweist China auch auf den sogenannten „Inflation Reduction Act“, den die US-Regierung von Präsident Biden 2022 auf den Weg brachte und bei dem es sich um ein mehrere hundert Milliarden US-Dollar schweres Subventionsprogramm handelte. Neben Technologien für erneuerbare Energien ging es dabei auch im besonderem Maße um die Produktion von E-Autos und Batterien. Auch diese Politik schließe Produkte aus China und anderen WTO-Staaten aus, da diese Art von Subventionen meist strikt an die Produktion in den USA gebunden ist. Ganz unberechtigt scheinen diese Einwände nicht zu sein, denn auch in Europa wird dieses Programm kritisiert. Sollten die laufenden Gespräche zu keinem Ergebnis führen, stellt China auch Gegenzölle in Aussicht. Neben Agrar- und Lebensmittel wären diese jedoch in erster Linie wiederum auf den Automobilsektor gerichtet. Dies würde vor allem deutsche Autobauer wie Mercedes, Porsche oder BMW hart treffen, da deren Präsenz im chinesischen Markt sehr groß ist.
Die Abhängigkeit von China wird größer
Die Debatte, ob Strafzölle in diesem Fall gerechtfertigt sind, wird aktuell sehr intensiv geführt. Auf der einen Seite fühlt man sich auf Seiten der EU und der USA verpflichtet, auf dem Heimatmarkt faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, auf der anderen Seite führt der stärker werdende Protektionismus in den westlichen Ländern dazu, dass sich China deutlich intensiver in den Entwicklungsländern positioniert. Zwar sind die Umsätze außerhalb der EU und der USA noch deutlich niedriger, nach Prognosen der Internationalen Energiebehörde soll sich dies aber bis 2030 ändern. Sie gehen davon aus, dass sich die Menge der E-Autos bis dahin verachtfachen und der größte Teil dieser Expansion aus neuen Märkten stammen wird.
Dabei investiert China nicht nur in den Aufbau neuer Fabriken, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Besonders bei der Förderung von sogenannten „kritischen Rohstoffen“ positioniert sich China bereits jetzt sehr strategisch. Ein gutes Beispiel dafür ist Indonesien. Allein im vergangenen Jahr investierten Unternehmen mit Sitz in China und Hongkong knapp 14 Milliarden US-Dollar in den südostasiatischen Inselstaat, von denen der größte Teil in der Metall- und Bergbauindustrie vermutet wird. Der Grund für das große Interesse Chinas in Indonesien ist das Metall Nickel, welches Hauptbestandteil moderner Lithium-Ionen-Zellen ist und damit zwingend für die weitere Elektrifizierung der Automobilindustrie benötigt wird. Aktuell geht man davon aus, dass circa 90 % der nickelfördernden Unternehmen in Indonesien unter chinesischer Kontrolle sind.
Die vorstehende Tabelle zeigt Daten der USGS (United States Geological Survey) aus dem Jahr 2023 und verdeutlicht die Dominanz Chinas auf dem Markt für grüne Energietechnologien. Diese beruht größtenteils auf der Kontrolle der Liefer- und Wertschöpfungsketten. So werden beispielsweise bei Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos Cobalt, Lithium und Nickel zuvor in China raffiniert, bevor sie zu Komponenten wie Anoden, Kathoden oder Separatoren verarbeitet werden.
Am Ende gibt es nur Verlierer
Sollte die EU die Importe chinesischer Elektroautos wie angekündigt stärker besteuern, hätte dies spürbare Auswirkungen auf den bilateralen Handel und Produktion in Europa. Laut einer Schätzung vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel würde die Menge importierter E-Autos aus China um 25 % zurückgehen. Umgerechnet auf die fast 500.000 Fahrzeuge, die 2023 importiert wurden, entspräche dies schätzungsweise 125.000 Fahrzeuge im Wert von 3.7 Mrd. EUR. Zwar würde der Rückgang in großen Teilen durch eine steigende Produktion innerhalb der EU aufgefangen werden, jedoch würde es auch spürbar höhere Preise für den Endverbraucher bedeuten. Dies würde sowohl in den USA als auch in der EU den Wandel zum E-Autos deutlich verlangsamen. Daneben wird durch Handelsbarrieren auch die globale Zusammenarbeit eingeschränkt und der Technologietransfer, der so wichtig für die Weiterentwicklung effizienterer und umweltfreundlicher Technologien ist, eingeschränkt. Keine guten Nachrichten, wenn man bedenkt, dass laut dem World Resources Institute zwischen 75 und 90 % aller neu verkauften Autos bis 2030 elektrisch sein müssen, um die Ziele des Pariser Abkommen noch zu erreichen. Die richtige Balance zwischen fairem Wettbewerb und der Förderung grüner Technologien bleibt eine zentrale Herausforderung.
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Fotoquelle: Hermann Wakolbinger
Autor:
Pascal Günzkofer B.A.
Treasury und Handel, Oberbank AG