Zwischen Unabhängigkeit und Einflussnahme

Lange Zeit schien die Unabhängigkeit der US-Zentralbank Fed in Stein gemeißelt zu sein. Donald Trump, der eine zweite Amtszeit als US-Präsident anstrebt, würde jedoch gerne bei der Zinspolitik mitmischen.

 

Die US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 ist ein spannender Wegweiser für die künftigen Entwicklungen. Donald Trump hat bereits mehrmals betont, im Falle eines Wahlsieges über die Zinspolitik der Fed mitbestimmen zu wollen. Fed-Chef Jerome Powell, einst von Trump ernannt, wurde in der Vergangenheit immer öfter Ziel öffentlicher Kritik und teils wüster Beschimpfungen des ehemaligen Präsidenten. Die sachliche Kritik richtet sich hierbei in unterschiedliche Richtungen. Demnach würde die Fed sowohl zu früh als auch zu spät bei Zinsentscheidungen agieren.

 

Warum ist eine unabhängige Zentral- bzw. Notenbank so wichtig?

Klassisch wirtschaftspolitische Ziele einer Regierung wie Wachstum und Vollbeschäftigung stehen im Kontrast zum derzeit allgemein hohen Zinsniveau. Um eine anhaltende Teuerung zu bekämpfen, erhöhen Notenbanken das Zinsniveau, was jedoch die Konjunktur schwächen und den Arbeitsmarkt belasten könnte. Nachhaltig niedrige Zinsen, herbeigeführt durch politische Interventionen, könnten die Geldentwertung befeuern und den Dollar als „Benchmarkwährung“ schwächen. Auf der anderen Seite könnten niedrige Zinsniveaus die internationale Wettbewerbsfähigkeit US-amerikanischer Unternehmen fördern und das Außenhandelsdefizit verringern.

 

USA - Inflation vs. Leitzins

 

„Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut?“

Würde Trump seinem „Instinkt“ – wie er selbst bezeichnet – folgen, dann könnte ein niedrigeres Zinsniveau die Inflationsrate befeuern und in der Folge zu einer Abwertung des Dollars führen. Ein Paradebeispiel für die wirtschaftlichen Auswirkungen politisch beeinflusster Zentralbankentscheidungen zeigt eindrucksvoll die Situation in der Türkei. Trotz steigender Inflation hat man lange Zeit an der Niedrigzinspolitik festgehalten. Mittlerweile verharrt die Inflation trotz hoher Zinsen (50 %) auf einem Rekordniveau von über 60 % und eine nachhaltige Entspannung ist nicht in Sicht. Das Vertrauen der Märkte in die Zentralbank hat durch immer wiederkehrende politische Interventionen stark gelitten. Die Türkische Lira steht seit Jahren unter Abwärtsdruck, EUR/TRY liegt aktuell bei 37,500. Noch vor 10 Jahren lag der Kurs bei ca. 3,0000.

 

Einige empirische Befunde u. a. von Bade & Parkin (1988) oder auch Summers (1993) haben sich in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren bereits mit der Unabhängigkeit von Zentralbanken und den ökonomischen Auswirkungen befasst. Der Grad der Unabhängigkeit wird anhand von Variablen wie der Zielfestsetzung, der Auswahl von geldpolitischen Instrumenten, der Besetzung und Absetzung von Notenbankmitgliedern und der finanziellen Unabhängigkeit von der Regierung gemessen. Demnach bietet eine höhere Zentralbankunabhängigkeit messbare und empirisch nachgewiesene makroökonomische Vorteile, die sich in einer höheren Preisstabilität äußern. Verschiedene Studien zeigen: Je höher der Grad der Unabhängigkeit einer Zentralbank, desto besser hat man die Inflationsrate im Griff.

 

Welche Szenarien sind in einer möglichen zweiten Amtsperiode Trumps denkbar?

Um den politischen Einfluss auf die Zentralbank zu erhöhen, müsste Trump zunächst das Bundesgesetz, welches die Zuständigkeiten der Fed regelt, ändern. Dabei ist er jedoch auf die Machtverhältnisse im Kongress angewiesen – auch hier werden die Karten im November neu gemischt. Weiters könnte eine mögliche Entlassung des aktuellen Fed-Chefs Powell politische Diskussionen und neue Unsicherheiten an den Märkten auslösen. Auch bei einer Neubesetzung des Chefpostens nach Ablauf von Powells Amtszeit im Jahr 2026 darf man nicht vergessen, dass die Entscheidungsgewalt über die Zinspolitik nicht allein beim Vorsitzenden liegt, sondern bei einem breiter gestreuten Entscheidungsgremium.

 

Was erwartet uns beim EUR/USD Kurs?

Neben der Inflationsbekämpfung zählt auch die Vollbeschäftigung zu den Primärzielen der Fed. Die US-Wirtschaft zeigt sich in der Vergangenheit im Vergleich zur Eurozone in einer weitaus robusteren Verfassung. Die gemischten Signale, welche die jüngsten Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten aussenden, spielen bei der künftigen Vorgehensweise der Fed eine zentrale Rolle. Beim jüngsten Treffen der Zentralbanker:innen in Jackson Hole stimmte Powell den Markt bereits auf eine Zinssenkung im September ein. Die Markterwartung spiegelt das längst wider. Die Frage ist nicht mehr „ob“, sondern in welchem Ausmaß die Fed den Leitzins reduziert. Bleibt es bei 25 Basispunkten oder wagt man doch 50 Basispunkte? Die verstärkten Zinssenkungsfantasien in den USA machen auch vor dem EUR/USD nicht Halt. So kratzt der EUR/USD Stand 26.08.2024 an der 1,1200-Marke. Die Intensität der kommenden Zinssenkungsschritte der EZB und der FED werden Rückschluss über die künftige Entwicklung des Wechselkurses geben. Sowohl USD-Käufer als auch USD-Verkäufer sollten sich in Anbetracht dessen nun folgende Fragen stellen: „Dollar sichern? Wenn nicht jetzt, wann dann?“

 

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Mag. Fatih Topkaya

Fotoquelle: Wakolbinger
 

Autor:

Mag. Fatih Topkaya

Treasury und Handel, Oberbank AG